«Alles aus einer Hand» ist gefragt

Der Anspruch an die Spitex, «alles aus einer Hand» anzubieten, steigt stetig. Klientinnen und Klienten wünschen sich von ihr zunehmend nicht «nur» Grundund Behandlungspflege, sondern auch Spezialdienstleistungen wie Palliative Care, hauswirtschaftliche Leistungen, einen 24-Stunden-Service sowie betreuerische Leistungen wie Begleitdienste. Wie die Spitex mit diesem steigenden Anspruch umgehen und sich in Richtung Vollanbieterin entwickeln kann, wird im Einführungstext diskutiert. Danach wird an Beispielen aufgezeigt, wie die Spitex Grenzen ziehen kann bezüglich der Frage, welche Leistungen sie selbst anbieten soll. Und wie Fusionen oder auch viele Kooperationen dabei helfen, dass die Spitex alles aus einer Hand anzubieten vermag.

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Wer im Reisebüro eine All-inclusive-Reise bucht, geniesst die Dienstleistungen einer Fluggesellschaft und eines Taxifahrers genauso wie diejenigen eines Hotels und eines Veranstalters von Tagesausflügen – Kontakt hat er hierfür allerdings nur mit dem Reisebüro, das alles organisiert. Eine solche «Reise» wird zunehmend auch von der Spitex erwartet: Klientinnen und Klienten wollen von ihr alle benötigten Leistungen der Pflege und Unterstützung «aus einer Hand» erhalten. Doch welche Leistungen sind das genau? Wie wird die Spitex zur Vollanbieterin? Und welche Vorteile bringt dies allen Involvierten? Diese Fragen erörtert das Spitex Magazin im Gespräch mit Gabriele Balestra, Direktor der Spitex von Locarno und Vizepräsident von Spitex Schweiz. 

Woher die Erwartungshaltung kommt 

«Zuerst einmal ist es eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, dass die Menschen zunehmend wollen, dass eine Ansprechperson alles Mögliche nach ihren Wünschen für sie organisiert», erklärt sich Gabriele Balestra diese Entwicklung. Der 51-jährige Volkswirtschaftler mit einem Master in Sozial- und Gesundheitsmanagement ist seit gut 20 Jahren Direktor der Locarneser Spitex-Organisation ALVAD (Associazione Locarnese e Valmaggese di Assistenza e cura a Domicilio). Seit 2013 ist er zudem Vorstandsmitglied von Spitex Schweiz und amtet seit 2019 als Vizepräsident des Dachverbandes. «Auch die kommenden Generationen von betagten Menschen werden es gewohnt sein, aus unzähligen Angeboten ’à la carte’ auszuwählen. Und auf diese Freiheit werden sie auch im Alter nicht verzichten wollen», fügt er an. Doch nicht nur die steigenden Ansprüche führen zur vermehrten Forderung, dass die Spitex alles aus einer Hand anbieten soll. Laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) wird das Gesundheitssystem immer komplexer, weswegen insbesondere vulnerable Personen zunehmend damit überfordert sind, verschiedene Leistungserbringer selbst zu organisieren und zu koordinieren. Sie sind darum auf eine koordinierte Versorgung angewiesen, welche das BAG bereits 2015 zu einer Priorität seiner Tätigkeit erklärt hat. Besonders auf Koordination angewiesen sei die zunehmende Zahl an älteren Menschen mit mehrfach chronischen Krankheiten – und besonders in der ambulanten Versorgung sei zunehmend die Pflege die zentrale Ansprechpartnerin für solche Klientinnen und Klienten und übernehme organisatorische Aufgaben für sie. «Auch bei der ALVAD machen wir die Erfahrung, dass viele ältere Menschen zunehmend Hilfe bei der Koordination brauchen», bestätigt Gabriele Balestra. Dies sei auch damit erklärbar, dass betagte Menschen hierbei immer seltener auf die Hilfe ihrer Kinder zählen können – weil sie kinderlos sind, weil ihre Kinder weit weg wohnen oder weil das komplexe Gesundheitssystem auch jüngere Generationen überfordert. «Aus all diesen Gründen sieht sich die ALVAD immer häufiger mit Anfragen von Menschen konfrontiert, die unsere Hilfe bei der Koordination für sich selbst oder ihre Angehörigen brauchen.» 

Alles aus einer Hand: Spezialisierungen 

Doch was genau wollen die Betroffenen von der Spitex neben der Grund- und Behandlungspflege aus einer Hand erhalten? Erstens sind in den vergangenen Jahren spezialisierte Dienstleistungen der Spitex immer gefragter geworden – beispielsweise Palliative Care (siehe Seite 32), Wundberatung, psychosoziale beziehungsweise psychiatrische Pflege oder auch Demenzpflege. Gabriele Balestra ist überzeugt, dass diese Spezialisierungen für eine Spitex-Organisation längst ins Pflicht-Repertoire ihres eigenen Angebots gehören, genauso wie Gesundheitsprävention oder auch das Beherrschen von modernen Technologien wie Sensoren, welche Kontrollen über Distanzen hinweg ermöglichen. «Jede Spitex-Organisation muss diese Spezialdienste früher oder später in ihr Angebot aufnehmen. Denn nur als Vollanbieterin dieser Leistungen wird sie dem Anspruch gerecht, dass die Spitex längst zum Spital zu Hause geworden ist und dementsprechend die verschiedensten sowie äusserst komplexe Fälle versorgen kann.» 

Alles aus einer Hand: Spitex rund um die Uhr 

Zweitens steigen die zeitlichen Ansprüche an die Dienstleistungen der Spitex: Ginge es nach vielen Klientinnen und Klienten, würde die Spitex auch einen Abenddienst, einen Nachtdienst sowie einen 24-Stunden-Pikettdienst anbieten. «Auch bei dieser steigenden Nachfrage ist es wichtig, dass die Spitex den Ansprüchen ihrer Klienten gerecht werden kann», sagt Gabriele Balestra. «Meiner Meinung nach kann sie hier aber auch mit einer anderen Organisation zusammenarbeiten. Der Pikettdienst aller Tessiner Nonprofit-Spitex-Organisationen wird nachts zum Beispiel von der Zentrale des Notdienstes übernommen. Ruft ein Klient in der Nacht bei ALVAD an, wird der Anruf weitergeleitet und die Mitarbeitenden der Notfallzentrale antworten im Namen der ALVAD.» Die Mitarbeitenden der Zentrale lösen das Problem daraufhin selbst oder alarmieren bei einem Notfall ein Ambulanzfahrzeug. Nur wenn das Problem zeitnah von Spitex-Mitarbeitenden gelöst werden muss, wecken sie einen zuvor bestimmten Spitex-Mitarbeitenden. «Der Klient kann sich also rund um die Uhr an die ALVAD wenden. Und dennoch können unsere Mitarbeitenden in den meisten Nächten ungestört schlafen», sagt Gabriele Balestra. 

Alles aus einer Hand: HWL und Betreuung 

Drittens sind auch betreuerische und damit oft nicht verrechenbare Dienstleistungen zunehmend aus einer Hand begehrt. Vor allem, weil immer mehr Menschen immer älter werden und weniger Angehörige haben, was den Betreuungsbedarf in der Bevölkerung erhöht (vgl. Spitex Magazin 3/2020). Entsprechend werden hauswirtschaftliche Leistungen (HWL; vgl. Bericht in der Printausgabe) genauso immer wichtiger wie beispielsweise Mahlzeitendienste, Einkaufshilfe und Fahrdienste – oder auch sozialbetreuerische Leistungen wie Gespräche und Spielnachmittage, die der zunehmenden Einsamkeit in der Bevölkerung entgegenwirken helfen (vgl. Spitex Magazin 4/2020). «Auch diese betreuerischen Dienstleistungen sind oft nötig, damit eine Person bei guter Lebensqualität zu Hause wohnen kann», ist Gabriele Balestra überzeugt. Und auch diesbezüglich könne die Spitex mit anderen Organisationen oder Freiwilligen zusammenarbeiten, um aus einer Hand für die Befriedigung der Bedürfnisse ihrer Klienten zu sorgen. Im Tessin gebe es zum Beispiel seit einiger Zeit die «Tutori di Comunità»: Diese Freiwilligen schauen einmal pro Woche bei älteren Menschen vorbei, um sie den Umgang mit modernen Technologien zu lehren, womit die Seniorinnen und Senioren ihre Sozialkontakte besser pflegen können. 

Alles aus einer Hand: Grenzen 

Gabriele Balestra ist weiter der Meinung, dass die Spitex nicht alle Leistungen selbst oder durch eine Kooperation anbieten muss. Schliesslich setze sie professionelle Instrumente ein, welche den Bedarf eines Klienten systematisch ermitteln (vgl. Infokasten S. 19). «Es ist wichtig, dass die Spitex diesen Bedarf selbst abdeckt und nicht einfach alle Wünsche der Klientinnen und Klienten berücksichtigt. Denn dies wäre finanziell nicht tragbar. Subventionierte Organisationen müssen sorgfältig mit Steuergeldern umgehen», sagt er. Das bedeute aber nicht, dass die Spitex es ignorieren müsse, wenn ein Klient sich von ihr mehr aus einer Hand wünscht. «Sind es keine absurden Forderungen, dann ist es ein grosser Mehrwert für die Klienten, wenn die Spitex ihnen beim Finden einer Lösung für ihre Bedürfnisse hilft», sagt Gabriele Balestra. «Die ALVAD schneidet zum Beispiel keine Haare und untersucht keine Zähne, aber sie führt eine Liste von Coiffeuren und Zahnärzten, welche Hausbesuche anbieten. Diese Listen geben wir unseren Klienten oder helfen ihnen sogar dabei, den gewünschten Dienstleister zu organisieren.» Dies führe dazu, dass die Spitex trotz einem eingeschränkten Leistungsangebot als Vollanbieterin betrachtet wird –weil sie den Klientinnen und Klienten zumindest aus einer Hand alle möglichen Lösungen anbietet. Wichtig sei dabei allerdings, dass die Spitex dem Klienten nicht alles abnehme. «Die Nonprofit-Spitex verfolgt mit all ihren Handlungen immer auch ein präventives Ziel. Schlägt sie einem Klienten zum Beispiel nur eine Lösung für ein Problem vor, die er selbst organisieren muss, trägt sie zur Förderung oder zumindest zum Erhalt seiner Selbstständigkeit bei.» 

Die Spitex als «Dirigentin» des Netzwerks 

Die Spitex bietet also auch durch verschiedene Kooperationen «alles aus einer Hand» an. Sie organisiert demnach ein Netzwerk aus verschiedenen Leistungserbringern – und damit ein solches Netzwerk funktionieren kann, braucht es laut BAG eine konstante zentrale Koordination. «Die Nonprofit-Spitex soll in diesem Netzwerk nicht nur Teil des Orchesters sein, sondern dessen Dirigentin», sagt Gabriele Balestra dazu. Wie es im Tessin bereits der Fall ist (vgl. Infokasten S. 17), soll sie also in der Pflege und Unterstützung zu Hause die Rolle der zentralen Koordinatorin übernehmen, bei der alle Fäden zusammenlaufen. «Wichtig ist dabei, dass sie stets im Interesse der Klientinnen und Klienten sowie kostenbewusst handelt. Sie darf also eine Leistung nur dann selbst ausführen, wenn günstigere Anbieter dies nicht genauso gut oder sogar besser können.» Bedingung dafür, dass die Spitex für ihre Klientinnen und Klienten alles aus einer Hand organisiert, sei indes eine angemessene Entschädigung. «Unsere koordinativen Leistungen sind aber noch nicht immer und überall angemessen finanziert. Wir müssen den Krankenkassen und der öffentlichen Hand begreiflich machen, dass es sich lohnt, jetzt Geld für die Koordination durch die Spitex auszugeben. Denn gute Koordination verhilft den Menschen nicht nur zu einer besseren Lebensqualität – langfristig spart die Gesamtgesellschaft damit auch viel Geld, weil Koordination zum Beispiel Doppelspurigkeiten ausmerzt und Einweisungen in stationäre Einrichtungen verhindert oder zumindest hinauszögert.» 

Die Spitex als blosse Akteurin im Netzwerk 

Doch was, wenn die Spitex nicht die Dirigentin ist, sondern nur ein Teil des Orchesters? In manchen Kantonen prüft man derzeit die Schaffung von zentralen und neutralen Dienststellen, welche sich um die Triage aller Patienten aus einer Hand kümmern. «Der Aufbau von neuen solchen Strukturen und neuen Prozessen kostet mehr Zeit und Geld, als wenn man auf bewährte setzt», kritisiert Gabriele Balestra. Zudem werde das System mit einem neuen Leistungserbringer noch komplizierter. «Die Spitex hat bereits die Instrumente und die Kompetenzen, um Koordinatorin und Planerin zu sein. Und sie hat die Erfahrung und die Nähe zu den Menschen, welche für die koordinative Arbeit wichtig sind.» Im Tessin übernehme eine hierfür ausgebildete Spitex-Mitarbeiterin beispielsweise die Fallführung für rund 50 Klientinnen und Klienten, deren Vertrauen sie geniesst und für die sie alles Nötige aus einer Hand koordiniert und organisiert. «Dieses System funktioniert sehr gut», versichert er. Manche Spitex-Organisationen scheinen sich nun aber zu sagen: «Spitex, bleib bei deinen Leisten.» Sie bleiben darum bei ihrem traditionellen Angebot aus Grund- und Behandlungspflege und allenfalls Hauswirtschaft, statt immer mehr Leistungen anzubieten. Was bedeutet dies für ihre Zukunft? «Viele Organisationen der Pflege und Hilfe zu Hause haben erkannt, wie wichtig ein Angebot aus einer Hand zunehmend ist. Und dass sich mit vielen bedürfnisbezogenen Leistungen auch Geld machen lässt», sagt Gabriele Balestra dazu. Ein Blick auf die Websites von privaten Spitex-Organisationen bestätigt dies: Viele von ihnen werben zentral damit, dass sie «wunsch- und bedürfnisbezogen alles aus einer Hand» anbieten. «Wenn eine Organisation sich nicht dynamisch weiterentwickelt im zunehmend von Konkurrenz geprägten Spitex-Markt, dann läuft sie Gefahr, dass sie immer weniger Arbeit hat.» 

Vollanbieterin durch Fusion statt viele Kooperationen 

Gabriele Balestra ist zwar der Meinung, dass Kooperationen durchaus dabei helfen können, dass die Spitex ihren Klientinnen und Klienten alles aus einer Hand anzubieten vermag. Das Modell «Vollanbieterin durch Kooperationen» habe aber seine Grenzen. «Eine Lösung mit vielen Kooperationen ist immer komplizierter als eine Fusion», sagt er. «Durch eine Fusion kann eine kleine Spitex-Organisation eine Grösse erreichen, die es ihr erlaubt, zentrale Dienstleistungen selbst anzubieten.» Sie habe zudem weitere Vorteile wie ein grosses Sparpotenzial bei den administrativen Kosten. Wo die Hindernisse für eine Fusion zu hoch sind, könne indes auch eine Zwischenlösung funktionieren. «Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass kleine Organisationen sich dann zumindest für äusserst wichtige Spezialleistungen wie Palliative Care und Psychosoziale Spitex zusammentun und gemeinsame Abteilungen aufbauen. Eine solche Teilfusion ist aber viel komplizierter als eine komplette Zusammenlegung, weil die beteiligten Organisationen sich andauernd in Bezug auf finanzielle und personelle Beteiligungen an der Pflege und Administration einigen müssen.» Darum teilt der Vizepräsident von Spitex Schweiz die Meinung von verschiedenen Spitex-Führungspersonen, welche die Fusion von kleinen Spitex-Organisationen fördern und fordern (vgl. zum Beispiel Spitex Magazin 4/2018). 

Die Wichtigkeit der Ausgangslage 

Doch wie gross sollen die neuen Spitex-Organisationen sein, um dem Anspruch an die Spitex als Vollanbieterin gerecht zu werden? Vielleicht ist sogar zu einer umfassenden Lösung wie im Kanton Genf zu raten, wo die Nonprofit-Spitex kantonal organisiert und verstaatlicht ist? Gabriele Balestra, der das Tessin in der CRRT (Regionalkonferenz Romandie und Tessin) vertritt, ist der Meinung, dass die Genfer Spitex sehr gut funktioniert und sehr viele Dienstleistungen selbst anbieten kann. «Jeder Kanton oder sogar jede Gemeinde hat aber eine eigene Geschichte, eigene Gegebenheiten und eigene Regeln bezüglich der Spitex-Finanzierung und des Spitex-Leistungsauftrags. Eine gute Lösung von einem Kanton ist darum nicht automatisch für einen anderen gut», gibt er zu bedenken. Eine verstaatlichte Spitex sei zum Beispiel teuer und werde sich darum nicht überall durchsetzen. Zudem sei in manchen Kantonen die Gemeindeautonomie sehr hoch – und viele Kantone seien nicht so homogen wie der Stadtkanton Genf. «In heterogenen Kantonen dürfte sich eine kantonale Organisation schwer umsetzen lassen. Solche Kantone könnten stattdessen grössere Gesundheitsregionen bilden, die das Anbieten von vielen Leistungen aus einer Hand ermöglichen. In Graubünden funktioniert dies zum Beispiel gut.» 

Alles aus einer Hand mit Spital und Heim 

Diese Bündner Täler gelten laut BAG sogar als Vorbild der zentral organisierten Gesundheitsversorgung. «Alles aus einer Hand» wird im Bündnerland zeitweise sogar über die Grenzen von ambulant und stationär hinweg definiert: Spitex, Altersheim, Spital und Zwischenformen wie betreutes Wohnen werden dort von nur einer Organisation angeboten. Dieses Modell bietet zum Beispiel das Center da sandà Engiadina Bassa (CSEB) im Unterengadin oder die Flury Stiftung im Prättigau (vgl. Spitex Magazin 4/2018). Die Studie «Vernetzte Gesundheit» von 2020 zeigt, dass Patienten von solchen umfassenden Vollanbieterinnen zufriedener sind und dass das System ökonomisch effizienter ist, als wenn einzelne Leistungserbringer sich absprechen. Auch im Tessin wird derzeit im Rahmen des Projekts «Ticino 2020» diskutiert, wie Spitex und Altersheime näher zusammenrücken können. Genauer soll sich das künftige Modell an die Lösung in Graubünden oder auch im Kanton Freiburg anlehnen: Es sollen fünf bis sieben Tessiner Gesundheitsregionen gebildet werden, die von den Gemeinden gesteuert werden und in denen Spitex und Altersheime unter einem Dach organisiert sind. «Dies wäre nicht nur kostensparend. Klientinnen und Klienten könnten in diesem Modell auch dynamisch zwischen den einzelnen Wohnformen hin- und herwechseln. Und es vereinfacht auch die Mobilität der Mitarbeitenden sowie ihre Fort- und Weiterbildung», sagt Gabriele Balestra. Der Zusammenschluss jeder Gesundheitsregion mit einem Spital wie in Graubünden sei im Tessin allerdings nicht vorgesehen. «Dies funktioniert mit regionalen Spitälern wie in Graubünden und nicht mit einem Kantonalspital wie im Tessin.» 

Ausblick: Was es für «alles aus einer Hand» braucht 

Abschliessend kann gesagt werden, dass die Spitex das Potenzial hat, zum erwähnten Reisebüro für die All-inclusive-Reise in der Pflege und Unterstützung zu Hause zu werden. Damit dies klappt, braucht es aber eine gute Kommunikation: Die Fachliteratur weist häufig darauf hin, dass eine Organisation nur dann alles zentral anbieten oder zumindest koordinieren kann, wenn intern und extern die zeitnahe Kommunikation und der Austausch von Daten gut funktionieren. «Ich bin optimistisch, dass die Spitex für diese Kommunikation bereit ist», sagt Gabriele Balestra. Sie arbeitet stetig an der Modernisierung ihrer digitalen Kommunikation und beteiligt sich zum Beispiel freiwillig am Elektronischen Patientendossier (EPD). «Wichtig ist aber, dass auch alle anderen Leistungserbringer sich für eine gute Kommunikation im Netzwerk öffnen, damit vor allem die Zusammenarbeit an den heiklen Schnittstellen verbessert wird», fügt er an. Hierfür sei die Öffnung gegenüber modernen Technologien wichtig – noch bedeutender sei indes die Bereitschaft zur Kommunikation. «Für ein erfolgreiches Netzwerken in der Gesundheitsbranche braucht es einen kulturellen Wandel. Alle Leistungserbringer dürfen nicht mehr an die eigenen Interessen denken, sondern an diejenigen der Klientinnen und Klienten sowie der Gesamtgesellschaft», erklärt der Vizepräsident von Spitex Schweiz. Für diesen umfassenden Wandel sei das Mitwirken jedes Leistungserbringers nötig. «Und ich bin mir sicher, dass wir das mit Freiwilligkeit nicht erreichen», betont er. Darum müssten die Kantone die koordinierte Versorgung, die derzeit oft freiwillig ist, gesetzlich regeln und damit verbindlich machen. «Dann können wir es schaffen, dass sich die Menschen künftig nicht verloren fühlen im komplexen Gesundheitssystem – und dass stattdessen alle nötigen Leistungen für sie aus einer Hand koordiniert werden, was ihre bestmögliche Versorgung ermöglicht.» (Kathrin Morf)

by Spitex Schweiz Veröffentlicht: Aktualisiert: Montag, 10. Mai 2021

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